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Spotify gibt den Teams Autonomie, damit schneller Fehler gemacht werden können

  • Rolf-Christian Wentz
  • 12. Jan. 2023
  • 7 Min. Lesezeit

“Wir sind bestrebt, schneller als alle anderen Fehler zu machen“, sagt Daniel Ek, Gründer der schwedischen Musikstreaming-Firma Spotify. Eks Rationale: Um etwas wirklich Tolles zu schaffen, wird man unweigerlich Fehler machen. Aber aus jedem Scheitern kann man lernen. Also bedeutet schnelles Scheitern auch schnelles Lernen und damit schnelle Verbesserung. Geschwindigkeit ist essentiell. Für Spotify ist das eine langfristige Erfolgsstrategie.

Spotifys Streaminginnovation

Spotify wird am 14. Juli 2006 von Daniel Ek und Martin Lorentzon in Stockholm gegründet. Beide sind Seriengründer skandinavischer Online-Start-ups. Ek war vorher für kurze Zeit CEO von uTorrent, das mit raubkopierter Musik und Filmen auf BitTorrent Geld verdiente. Ek und Lorentzon entwickeln die Vision eines Unternehmens, das den Kunden Musik genauso bequem wie die Raubkopierer verfügbar macht, aber auf legale Art. Im Oktober 2008 sind sie so weit. Sie haben die meisten weltgrößten Firmen, die Musikrechte halten, wie z.B. Universal Music Group, Sony Music Entertainment und Warner Music Group von ihrer Idee überzeugen können und führen ihren Streamingdienst in Schweden ein. Sie verfolgen ein Freemium-Geschäftsmodell, d.h. es gibt eine kostenlose Streamingversion mit Werbung und eine gebührenpflichtige Premium-Version, die dem Nutzer – neben dem Verzicht auf Werbeunterbrechung – Vorteile bietet bei der Anzahl der zugänglichen Musikstücke, bei der Klangqualität und bei der Offline-Nutzung. Nach dem Start geht es mit dem Geschäft steil aufwärts. Als Spotify im Juli 2011 in den USA eingeführt wird, hat es bereits mehr als 10 Millionen registrierte Nutzer, davon 1.6 Millionen zahlende Abonnenten, und wird mit 1 Mrd. US$ bewertet.

Spotifys agile Teamorganisation und Arbeitsweise beschleunigt Innovationen

Ein Erfolgsfaktor Spotifys ist – neben der fehlertoleranten Kultur – die agile Unternehmensstruktur und -arbeitsweise, die Spotify erlaubt, sich schnell zu bewegen. Anfänglich wird das Spotify Team im Wesentlichen durch seine SCRUM-basierte Arbeitsmethode geprägt. Ein paar Jahre später ist Spotify jedoch zu einer Gruppe von Teams herangewachsen, und es stellt fest, dass einige der Standard-SCRUM-Praktiken dem Fortschritt im Weg stehen. Spotify beschließt, SCRUM optional zu machen. Agilität ist wichtiger als SCRUM, und agile Prinzipien wichtiger als bestimmte Praktiken. Spotify nennt die Rolle des SCRUM Masters in Agile Coach um. Anstelle von SCRUM Teams wird jetzt von Squads gesprochen. Ein Squad ist ein kleines funktionsübergreifendes selbstorganisierendes Team. Autonomie ist die Hauptantriebskraft der Squads. Die Mitglieder der Squads tragen die End-zu-End-Verantwortung für alle Dinge, die sie erstellen: Design, Bereitstellung, Wartung, Betrieb. Autonomie bedeutet, dass das Squad entscheidet, was es baut, wie es baut und wie es dabei zusammenarbeitet. Statt die Methoden zu standardisieren, setzt Spotify auf den Ideenaustausch zwischen den Squads. Squads lassen sich von anderen Squads überzeugen und übernehmen neue Methoden, wenn die Kollegen mit diesen erfolgreich sind. Im selben Sinne hat Spotify ein Open-Source-Modell für Programmiercode geschaffen. Squads können so Code von anderen Squads einfach übernehmen und dadurch ihre Software schneller fertigstellen. Spotify ermuntert zu kleinen und häufigen Releases. Die Autonomie der Squads geht sogar so weit, dass Squads selbständig einen neuen Release freigeben können, ohne sich mit den anderen Squads abstimmen zu müssen. Dafür hat Spotify die IT-Architektur so umgebaut, dass entkoppelte Releases möglich sind. Natürlich gibt es ein paar Grenzen für jedes Squad wie z.B. die besondere Mission des Squads, die allgemeine Produktstrategie für seinen Produktbereich und die kurzfristigen Ziele, die jedes Quartal vom Squad neu verhandelt werden. Und bei aller Autonomie, die die Squads haben, ist es Spotify wichtig, dass alle Squads auf dieselbe Spotify Unternehmensvision und dieselben Unternehmensziele ausgerichtet sind. Die Squads sind also, wie Spotify es nennt, lose gekoppelt, aber straff ausgerichtet. Spotify sieht straffe Ausrichtung und Autonomie der Squads nicht als Gegensätze. Vielmehr erlaubt erst die straffe Ausrichtung der Teams auf dieselbe Unternehmensvision und dieselben Unternehmensziele, dass den Squads soviel Autonomie gegeben werden kann. Innovation bei Spotify ist also bottom-up. Sie befeuert das rasante Wachstum des Unternehmens. Die agilen autonomen Squads brauchen keine Genehmigung von der Unternehmensspitze, um eine neue Idee auszutesten. Die Innovation „Discover Weekly“ illustriert das sehr gut.

Die Innovation „Discover Weekly“

Im März 2015 treffen sich Chris Johnson und Ed Newett mit Matt Ogle und stellen ihm ihre innovative Idee vor. Alle drei arbeiten im Spotify Büro in New York. Chris Johnson hat in Computer Science und Machine Learning an der Universität von Austin promoviert, ist jetzt Machine Learning Manager bei Spotify und leitet ein Team von Ingenieuren für maschinelles Lernen, von Dateningenieuren und von Softwareingenieuren. Ed Newett hat einen Master of Science vom Georgia Insitute of Technology und ist jetzt Lead Software Engineer, Music Discovery bei Spotify. Matt Ogle hat einen Master of Arts in Englisch und Computer Science von der Universität von Alberta und arbeitet jetzt für Spotify als Senior Product Owner, What To Play. Johnson und Newett haben lange über ein Problem nachgedacht, das Spotify bislang noch nicht zufriedenstellend lösen konnte: Wie können Nutzer in einer Bibliothek von Millionen von Liedern die Musik entdecken, die sie wirklich lieben, ohne dass sie viel Zeit verschwenden müssen mit dem Anhören von Musik, die sie nicht mögen? Zwar hat Spotify 2013 bzw. 2014 mit „News-Feed“ bzw. mit „Discover“ Lösungen entwickelt, die den Nutzern personalisierte Musikempfehlungen unterbreiten. Aber die Nutzer müssen noch unnötig viel Zeit und Mühen aufwenden, um schließlich ihre Lieblingssongs zu entdecken und zu genießen. Mit ihrem Vorschlag, der fortan den Namen „Discover Weekly“ trägt, wollen Johnson und Newett für die Nutzer alle Unbequemlichkeiten bei der Entdeckung neuer Lieblingsmusik beseitigen. Wie wäre es, wenn Spotify die Musik, die Du in der Vergangenheit gehört hast, in Künstler-Cluster und Micro-Genres sortieren würde basierend auf der Technologie von Echo Nest, einer Musikanalysefirma, die Spotify 2014 gekauft hat? Wie wäre es, wenn Spotify die circa zwei Milliarden Playlists, die alle anderen Spotify Nutzer erstellt haben, analysieren würde und ihre Präferenzen algorithmisch mit Deinen Playlists abgleichen würde, so dass Spotify Dir dann eine neue Playlist vorschlagen könnte, die speziell für Deinen Geschmack entwickelt ist? Wie wäre es, wenn Spotify Dir jede Woche eine neue personalisierte Playlist schicken würde? Ogle gefällt Johnsons und Newetts Idee. Er holt einen Kollegen dazu, der die Rolle des advocatus diaboli spielt, um mögliche Löcher in der Idee zu finden. Die folgende Diskussion hilft, die Idee noch prägnanter zu machen und weiter zu verbessern. Innerhalb von ein paar Wochen hat Johnsons und Newetts Squad einen ersten Prototypen entwickelt. Das ist in dieser kurzen Zeit möglich, weil Spotify zu diesem Zeitpunkt bereits Daten von seinen 75 Millionen aktiven Nutzern gesammelt, Micro-Genres von Musik definiert und alle Stücke seiner immensen Musikbibliothek danach klassifiziert hat. Der Prototyp von „Discover Weekly“ nutzt Technologien der Künstlichen Intelligenz wie Collaborative Filtering, Natural Language Processing, Deep Learning und neuronale Netze. Er wird als Erstes von Johnsons und Newetts Kollegen, die alle aktive Spotify Nutzer sind, ausgetestet. Die Kollegen lieben „Discover Weekly“! Nach diesem hausinternen Experiment unternimmt das Squad einen weiteren schnellen Test, diesmal bei einem Prozent der aktiven Spotify Nutzer, d.h. fast einer Millionen Kunden, wobei zwei Versionen von „Discover Weekly“ mittels eines A/B Tests gegeneinander getestet werden. Auch hier ist die Resonanz überwältigend. 65% der Befragten finden einen neuen Lieblingssong in ihrer personalisierten wöchentlichen Playlist. Auf Basis dieser Daten beschließt das Management von Spotify, „Discover Weekly“ weltweit einzuführen. Die Skalierung der „Discover Weekly“ Algorithmen von einer Millionen Nutzer auf alle 75 Millionen Nutzer und das Ganze in 21 Sprachen und in mehreren Zeitzonen zwecks Auslieferung an jedem Montagmorgen erweist sich als eine große Herausforderung. Aber schon im Juli 2015 ist der Roll-out erfolgreich abgeschlossen. „Discover Weekly“ wird ein Riesenerfolg. Spotify gewinnt eine enorme Anzahl neuer Kunden hinzu. Diese sind verblüfft. Einer der Nutzer, Dave Horwitz, schreibt; „Es ist beängstigend, wie gut mich die Spotify „Discover Weekly“ Playlists kennen“. Und Abbey Dighans stößt ins gleiche Horn: „Discover Weekly“ kennt mich besser, als ich mich selbst kenne“. Spotify zieht daraus die Schlussfolgerung: „Wir glauben, dass ein wichtiger Unterscheidungsfaktor zwischen Spotify und anderen Anbietern von Audioinhalten unsere Fähigkeit ist, Musik … vorherzusagen, die unsere Benutzer genießen werden“.

Spotifys innovative Entschärfung von Fehlern

Innovationen wie „Discover Weekly“, die von autonomen Squads in größter Schnelligkeit entwickelt und ausgerollt werden, ermöglichen es Spotify, sich gegen massive Konkurrenz zu behaupten und selbst so finanzstarke Unternehmen wie Apple Music, Amazon Music Unlimited und YouTube Music auf Abstand zu halten. Spotify ist sich bei aller Fehlertoleranz gegenüber den autonomen Teams bewusst, dass es die Konsequenzen von Fehlern entschärfen muss (Kniberg-2 2014). Es fokussiert deshalb auf proaktivem Risikomanagement, schneller nachträglicher Fehlerbehebung und auf Postmortems bzw. Retrospectives, um aus den Fehlern zu lernen. Fehler dürfen nie ein tödliches Risiko fürs Unternehmen bedeuten. Deshalb arbeitet Spotify mit dem Konzept des „beschränkten Explosionsradius“. Releases passieren bei Spotify kontinuierlich, und sie sind klein. Wegen der Entkoppelung der Releases der einzelnen Squads wird ein Fehler eines Squads nie die gesamte Spotify Software betreffen, sondern nur einen Ausschnitt. Und das Squad hat normalerweise seinen Fehler deshalb auch schnell behoben. Und falls sich der Fehler nicht so leicht beheben lässt, wird der Release, der klein ist, einfach zurückgerollt. Hinzu kommt, dass ein neuer Release nur in Schritten freigeschaltet wird. Im ersten Schritt bekommt nur eine sehr kleine Anzahl der Nutzer die neue Software aufgeschaltet. Erst wenn sie fehlerfrei und stabil läuft, wird sie schrittweise allen Nutzern zur Verfügung gestellt. Auf diese Weise kann Spotify die Experimentierfreude seiner Mitarbeiter befeuern, ohne ein unkontrollierbares Risiko fürs Unternehmen einzugehen.

Spotify sichert seine Marktführerschaft

Bis heute gelingt es Spotify, die führende Musikstreamingfirma der Welt zu bleiben. In seinem Börsenprospekt für die New York Stock Exchange vom 28. Februar 2018 berichtet Spotify bereits von 159 Millionen monatlich aktiven Nutzern und von 71 Millionen Premium-Abonnenten. Am 3. April 2018 geht Spotify an die Börse und erreicht im August des Jahres eine Unternehmensbewertung von mehr als 30 Mrd. US$. Im Geschäftsbericht für das Jahr 2019 spricht Spotify dann von 271 Millionen monatlich aktiven Nutzern und von 124 Millionen zahlenden Premium-Abonnenten per Stichtag 31. Dezember 2019. Trotz eines Umsatzes von 6.8 Mrd. US$ im Jahr 2019 ist Spotify aber noch nicht profitabel, sondern macht noch einen Betriebsverlust von 73 Mio. US$.

Dr. Rolf-Christian Wentz

Quellen:

  • Wentz RC (2020) Die neue Innovationsmaschine, Kindle Direct Publishing

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Innovationsmaschinen wie BMW, Google oder Apple organisieren Zufallsbegegnungen mittels Architektur

  • Rolf-Christian Wentz
  • 4. Jan. 2023
  • 4 Min. Lesezeit

Wir müssen die Realität anerkennen, dass viele großartige Innovationsideen und Innovationen das Ergebnis von Zufallsbegegnungen sind. Ideen entstehen oft, wenn sich Menschen aus verschiedenen Funktionen, Geschäftseinheiten oder Firmen treffen, ihre unterschiedlichen Perspektiven und ihre halbgebackenen Ideen teilen und sie möglicherweise zu einer kompletten Innovationsidee vervollständigen. Welche organisatorischen Voraussetzungen kann das Innovationsmanagement schaffen, um die Häufigkeit solcher Begegnungen und die Wahrscheinlichkeit eines glücklichen Zufalls (engl. serendipity) zu erhöhen? Welche Rolle kann Innovationsmanagement mittels Architektur hier spielen?

Innovationsmanagement mittels Architektur: Wie BMW, Google ihr Innovationsmanagement organisieren

Neben der Organisation kurzfristiger Treffen der Mitarbeiter mit Hilfe von Veranstaltungen wie z.B. Innovationsmessen spielt die Architektur der Gebäude als langfristige Maßnahme eine wichtige Rolle bei der Förderung zufälliger Begegnungen und ungeplanter Kollaborationen und damit beim Innovationsmanagement. Architekten wie Gunter Henn, der BMWs futuristisches und 2004 fertiggestelltes „Projekthaus“, das in BMWs Forschungs- und Innovationszentrum (FIZ) integriert ist, für BMWs interdisziplinäre Produktentwicklungsteams entworfen hat, vertreten die Ansicht, dass Organisationsstruktur und physischer Raum zusammenwirken, um Kommunikationsmuster und damit auch Innovationen zu beeinflussen. In BMWs Projekthaus finden die Projektaktivitäten im Innenraum in der Mitte des Gebäudes statt. Die Abteilungen sind dagegen in einem Außenring untergebracht, der über mehrere stark frequentierte Brücken mit dem Projektraum verbunden ist. Diese Architektur signalisiert, dass die Projekte „Chef“ sind, und fördert Verbindungen und Zufallsbegegnungen, visuellen Kontakt und ein breites Bewusstsein in der Organisation über den Status der verschiedenen Innovationsprojekte.

Abbildung: Förderung zufälliger Begegnungen in BMWs Projekthaus (Quelle: Allen, Henn 2006)

Andere langfristige Maßnahmen der Gebäudearchitektur, um das zufällige Über-den-Weg-Laufen zu fördern sind z.B. die Anlage einer eigenen Kantine, in der sich die Kollegen zur Mittagszeit treffen, oder die bewusste Beschränkung der Anzahl von Ein- und Ausgängen in Gebäuden, so dass die Wahrscheinlichkeit, dass sich Mitarbeiterströme kreuzen und es zu Zufallsbegegnungen kommt, steigt. Google hat alle Etagen in Mountain View mit mehreren sog. Mikroküchen ausgestattet, wo sich die Googler mit Kaffee, Obst oder Snacks versorgen, relaxen und sich unterhalten können. Google hat diese Mikroküchen bewusst in der Mitte zwischen zwei verschiedenen Innovationsteams platziert in der Hoffnung, dass es zu Zufallsbegegnungen der Mitglieder dieser beiden Teams kommt und sie miteinander ins Gespräch kommen. Das baut auf Googles Erkenntnis auf, dass die besten Innovationsideen gerade an der Schnittstelle zwischen unterschiedlichen Innovationsteams fließen.

Wie BMW und Google langfristiges Innovationsmanagement mittels Architektur betreiben, haben wir jetzt gesehen. Aber auch andere Unternehmen verfolgen diesen Ansatz.

Innovationsmanagement mittels Architektur: Auch Apple, Pixar und Disney erhöhen die Chance von Zufallsbegegnungen und von Innovationen mittels Architektur

Auch Pixars und Apples Steve Jobs war ein überzeugter Befürworter der Bedeutung von Architektur für Zufallsbegegnungen, Innovation und Zusammenarbeit: „Wenn ein Gebäude dazu nicht ermutigt, verlierst Du viel Innovation und die Magie, die durch den glücklichen Zufall ausgelöst wird“, erklärte er. Als er die Architektur von Pixars neuem Hauptsitz gestaltet, stattet er ihn mit einem zentralen Atrium aus, das die Pixar Mitarbeiter motivieren soll, ihr Büro zu verlassen und miteinander in Kontakt zu treten. John Lasseter, Chief Creative Officer von Pixar, erinnert sich: „Steves Theorie hat vom ersten Tag an funktioniert. Ich traf immer wieder Leute, die ich seit Monaten nicht mehr gesehen hatte. Ich habe noch nie ein Gebäude gesehen, das die Zusammenarbeit und Kreativität so fördert wie dieses“. Nach der Akquisition von Pixar übernimmt Disney einige Architektur-Lehren von Pixar und öffnet die Räume in seinem riesigen Animationsgebäude in Burbank. Steve Jobs folgt später dem selben Prinzip, als er mit Hilfe des Architekturbüros Norman Foster den neuen Apple Campus in Cupertino entwirft.

Sowohl BMW als auch Apple setzen Prinzipien der Architektur in die Praxis um, die Thomas Edison für sein Innovationsmanagement bereits 1887 im West Orange Lab, seiner neuen „Erfindungsfabrik“, anwendete. Angesichts der entscheidenden Bedeutung der Kommunikation für Innovationen ordnete Edison das Labor so an, dass die Entwickler, die in einem Flügel des Gebäudes Experimente ausführten, leicht mit den Maschinenschlossern, die die Prototypen im anderen Flügel herstellten, kommunizieren konnten.

Können digitale Kommunikationen Zufallsbegegnungen von Angesicht zu Angesicht ersetzen?

In der heutigen Zeit vielfältiger digitaler Kommunikationsmöglichkeiten mögen wir uns die Frage stellen, ob diese Zufallsbegegnungen von Angesicht zu Angesicht nicht entbehrlich sind. Die Antwort darauf ist eindeutig: nein. Denn wir müssen differenzieren zwischen der Kommunikation für Inspiration und den anderen beiden Kommunikationstypen: Kommunikation für Koordination bzw. Kommunikation für Information. Hochkomplexe Kommunikationen wie die im Innovationsmanagement brauchen alle drei Kommunikationstypen. Zwar können die beiden letzten Kommunikationsformen heute extrem effizient mittels digitaler Medien erledigt werden; aber die für Zwecke der Kreativität benötigte Kommunikation für Inspiration erfordert weiterhin Zufallsbegegnungen und den Kontakt von Angesicht zu Angesicht.

Apples verstorbener Steve Jobs glaubte fest an persönliche Face-to-Face-Treffen: „In unserer vernetzten Zeit besteht die Versuchung zu glauben, dass Ideen per E-Mail und iChat entwickelt werden können. Das ist verrückt. Kreativität entsteht durch spontane Treffen, durch zufällige Diskussionen. Du triffst jemanden, fragst, was er tut, du sagst „Wow“ und bald spuckst du alle möglichen Ideen aus“.

Dr. Rolf-Christian Wentz

Quellen:

  • Wentz RC (2020) Die neue Innovationsmaschine, Kindle Direct Publishing

  • Allen TJ, Henn G (2006) The Organization and Architecture of Innovation. Managing the Flow of Technology, Butterworth Heinemann
  • Bock L (2015) Work Rules!, Twelve HachetteBookGroup
  • Isaacson W (2011) Steve Jobs, Little, Brown
  • Millard A (1990) Edison and the Business of Innovation, The John Hopkins University Press

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7 Erfolgsfaktoren für Innovationsteams

  • Rolf-Christian Wentz
  • 4. Jan. 2023
  • 7 Min. Lesezeit

7 Erfolgsfaktoren für Innovationsteams und deren Design

Optimales Team-Design hat entscheidenden Einfluss auf den Erfolg eines Innovationsteams. Es gibt 7 Erfolgsfaktoren für Innovationsteams – Erkenntnisse von Amazon, Google, Microsoft, P&G, Spotify, Toyota helfen bei der Optimierung des Innovationsteam-Designs. Ausgangspunkt der Überlegungen sind hier radikale Innovationsteams. Bei inkrementellen Innovationsteams ergeben sich ein paar Abweichungen, die ich erkläre. Dies sind die 7 Erfolgsfaktoren für Innovationsteams:

Erfolgsfaktor #1: Kleine Zahl von Mitgliedern von Innovationsteams

Die Größe eines Innovationsteams sollte acht Personen nicht überschreiten. Optimaler Weise besteht das Team, vor allem am Anfang, nur aus zwei bis vier Personen. Berühmt ist Amazons Motto vom „Two-Pizza-Team“. Google ist ein Befürworter einer kleinen Teamgröße, da sie die Komplexität von Interaktion und Kommunikation verringert und die Entscheidungsfindung beschleunigt. Ex-CEO Schmidt erklärt: “Das beste Programmierteam ist ein “Telefonanruf”, bei dem zwei Personen, Du und ich, gemeinsam programmieren. Das zweitbeste Programmierteam ist, dass alle in einen einzigen Raum passen. Alle anderen Varianten sind schlecht”.

In ähnlicher Weise betont Procter & Gambles F&E-Veteran Dirksing, der dem Crest Whitestrips Innovationsteam angehörte: „Das Schlimmste, was Du im ersten Teil eines Projekts tun kannst, ist, einen ganzen Haufen von Menschen darauf zu setzen“, erklärt er. „Es ist am besten, zwei Personen zu nehmen und sie loszulassen: eine ältere Person für Weisheit und Rat und eine jüngere für Energie und Inspiration“. Diese Aussage wird durch einige Untersuchungen gestützt. Es wurde festgestellt, dass heutzutage Forscher die Zeiten ihrer größten Beiträge im Alter von etwa 36 Jahren haben. Wenn ein junger Forscher mit einem älteren Kollegen mit mehr Erfahrung und Effizienz zusammenarbeitet, wird der Output maximiert.

Microsoft merkt an, dass Innovationsteams, die Betriebssoftware entwickeln, in der Regel größer sind als Teams für Applikationssoftware. Da es jedoch den Unternehmergeist kleiner Teams bevorzugt, teilt es große Teams in viele kleine Teams auf, die beträchtliche Freiheiten haben und parallel zu einander arbeiten, die aber auch einige Regeln einhalten müssen, um ein hohes Maß an Koordination und Kommunikation zu erzwingen.

Warum eine kleine Zahl von Teammitgliedern so wichtig ist, zeigt folgende Abbildung: Mit jedem weiteren Teammitglied steigt der Bedarf an Interaktion, und dieser Anstieg ist exponentiell! Jedes zusätzliche Teammitglied bedeutet einen Produktivitätsverlust von 7%.

Abbildung: Exponentieller Effekt der Teamgröße auf die Anzahl der Interaktionen

Erfolgsfaktor #2: Co-Location der Mitglieder des Innovationsteams

Die Zusammenplatzierung der Mitglieder eines radikalen Innovationsteams ist eine Schlüsselaktion, um das kreative und innovative Potenzial des Teams zu steigern. Unternehmen wie Google, Microsoft, Spotify und viele andere halten sich an dieses Prinzip. Google möchte, dass die Teammitglieder in einem gemeinsamen Büro in unmittelbarer Nähe zueinander arbeiten. Googles ex-CEO Schmidt nennt diese Regel: “Pack sie zusammen”.

Die Wahrscheinlichkeit einer Kommunikation steigt, je näher die Teammitglieder bei einander arbeiten. Die Auswirkung der Nähe auf die Kommunikation wird in der folgenden Abbildung verdeutlicht. Bei einer physischen Entfernung von nur 30 Metern ist die Wahrscheinlichkeit einer Kommunikation zwischen Mitarbeitern immer noch sehr gering.

Abbildung: Wahrscheinlichkeit der Kommunikation in Abhängigkeit von der physischen Nähe der Teammitglieder

Wenn sich die Entfernung jedoch auf nur wenige Meter verringert, steigt die Kommuni-kationshäufigkeit dramatisch an.

Wenn eine trotz allem dauerhafte Co-Location der Teammitglieder nicht möglich sein sollte, so ist zumindest die Einrichtung eines dauerhaften Teamraums wie Toyotas obeya ratsam, in dem sich die Mitglieder des Innovationsteams regelmäßig zu Meetings treffen und der nur diesem einen Innovationsteam vorbehalten ist.

Was das Argument für ein zusammenplatziertes kleines Team auch noch unterstützt, ist die Bedeutung der direkten Kommunikation von Angesicht zu Angesicht bei Innovationen. Diese Kommunikationsform ist eindeutig die wertvollste Form der Kommunikation, vor der Kommunikation per Telefon oder Videokonferenz, während E-Mail (und ähnlich auch Chat) die am wenigsten wertvolle Art ist. Die erfolgreichsten Innovationsteams zeichnen sich durch den Reichtum ihrer persönlichen Face-to-Face-Kommunikation aus.

Anders als bei radikalen Innovationsteams findet man bei inkrementellen Innovationsteams oft, dass die Teammitglieder nicht zusammenplatziert sind, sondern jeder noch seinen Arbeitsplatz in seinem Fachbereich behält. Das liegt u.a. daran, dass die Explorationsphase am Anfang, in der die persönliche Kommunikation von Angesicht zu Angesicht von kritischer Bedeutung ist, bei inkrementellen Innovationen extrem kurz ist.

Erfolgsfaktor #3: 100%iges Engagement der Mitglieder des Innovationsteams für ein Innovationsprojekt

Bei inkrementellen Innovationen verbringen die Teammitglieder meist nur einen Teil ihrer Zeit mit dem Innovationsprojekt, und die restliche Arbeitszeit verwenden sie für die Erledigung ihrer Routineaufgaben.

Ganz anders sind die Anforderungen an die Mitglieder eines radikalen Innovationsteams. Nicht nur in der Anfangsphase ist es wichtig, dass sie im ständigen und engen Kontakt Ideen entwickeln, diese in Prototypen/ MVPs umsetzen, testen und nachbessern. Auch in den Folgephasen tauchen immer wieder neue Herausforderungen auf, für die in Teamarbeit schnelle und kreative Lösungen entwickelt werden müssen. Es ist in einem solchen Innovationsteam durchaus erwünscht, dass die Teammitglieder ständig an ihr Projekt denken und über mögliche Lösungen für neu aufgetretene Probleme nachdenken. Das spricht dafür, dass alle Teammitglieder 100% ihrer Zeit nur diesem einen radikalen Innovationsprojekt widmen und ihre Routineaufgaben abgeben.

Das heißt aber auch, dass die Mitglieder eines radikalen Innovationsteams auch nur ein radikales Innovationsprojekt unterstützen sollen und nicht etwa zwei oder drei. Wären Teammitglieder an mehreren Projekten gleichzeitig beteiligt, fiele ihre Arbeitseffizienz ab, und die Innovationsprojekte würden länger dauern. Das liegt an den Zeitverlusten, die daraus resultieren, dass sich ein Teammitglied von einem Projekt auf ein anderes umstellen und sich wieder in das andere Projekt „reindenken“ muss. Die folgende Abbildung belegt, dass bereits bei zwei Innovationsprojekten 20% der Zeit verloren geht aufgrund der

Abbildung: Zeitverlust aufgrund der Umstellung von Projekt auf Projekt

Projektumstellung. Zu dem Zeitverlust kommt hinzu, dass bei mehr als einem Projekt das Commitment des Teammitglieds wahrscheinlich verwässert wird. Für Amazons „Two-Pizza-Teams“ gilt die klare Regel: „One team, one problem”. Multitasking ist ausgeschlossen.

In der Praxis sind aber solche radikalen Innovationsteams mit 100%igem Engagement der Teammitglieder oft aus Gründen der Personalknappheit nicht möglich. In diesen Fällen greift man zum Matrix-Projektmanagement. Der Teamführer und sein Team sind weiterhin für den Innovationserfolg des Teams verantwortlich, der Teamführer ist aber auf die Leiter der Fachbereiche bzw. Geschäftssparten angewiesen, die ihm zusätzliche Teammitglieder zur Verfügung stellen. Diese bleiben gewöhnlich disziplinarisch weiterhin den Funktions- bzw. Spartenleitern unterstellt und stehen dem Team nur mit einem Teil ihrer Arbeitszeit zur Verfügung.

Das Matrix-Projektmanagement ist Toyotas Art, Innovationsteams zu organisieren. Dem Chefingenieur als Teamführer unterstehen disziplinarisch und in Vollzeit nur wenige Mitarbeiter. Alle anderen Mitglieder seines Innovationsteams sind ihm von den Funktionen fürs Projekt nur temporär zur Verfügung gestellt, und sie berichten über eine sog. „dotted line“ nur indirekt an ihn. Toyota sieht einen großen Vorteil dieser Organisationsform darin, dass die Teammitglieder in ihren Fachbereichen verankert bleiben und so ihr funktionales Expertenwissen im direkten Kontakt mit ihren Fachbereichskollegen ständig weiterentwickeln können.

Erfolgsfaktor #4: Kompetenzen der Mitglieder des Innovationsteams ergänzen sich

Um den Erfolg des Innovationsteams zu maximieren, sollten sich die Kompetenzen der Teammitglieder optimal ergänzen. Das gilt sowohl für radikale als auch für inkrementelle Innovationsteams.

Im Innovationsteam sollten sich möglichst die Kompetenzen widerspiegeln, die das Kompetenzmodell eines Innovationschampions ausmachen, also Technologiekompetenz, Marktkompetenz, Prozesskompetenz, persönliche bzw. Sozialkompetenz und Führungskompetenz. Alle diese Kompetenzen in einem Innovationsteam zu vereinen, fällt natürlich leichter, wenn das Team etwas größer ist. Falls das Team dagegen nur aus zwei oder drei Personen besteht, sollte jedes einzelnes Teammitglied mehrere dieser Kompetenzen abbilden. Da gehört natürlich auch Glück dazu. Deshalb ist es durchaus üblich, dass kleine Innovationsteams oft auf einer Ad-hoc-Basis je nach Bedarf andere Personen hinzuziehen, die ihnen temporär diese im Augenblick fehlende Kompetenz zur Verfügung stellen können. Das ist z.B. bei fehlender Fachexpertise oft der Fall, kann aber auch z.B. die Hilfe durch einen Außenstehenden bei der Teammoderation betreffen.

Auch wenn alle Innovationsteams eine ähnliche Grundausstattung an Kompetenzen benötigen, so ist doch die Spannbreite der gesuchten Kompetenzen und die Diversität der eingebrachten Perspektiven bei radikalen Innovationen tendenziell höher ist als bei inkrementellen Innovationsteams. Denn radikale Innovationsteams brauchen zusätzlich z.B. Querdenkertalent in ihren Reihen und vor allem Unternehmertypen. Hinzu kommt, dass radikale Innovationsteams, die ja nach ganz neuen Lösungen suchen sollen, das sog. „organisatorische Gedächtnis“ überwinden müssen. Deshalb gibt es die starke Empfehlung, den einen oder anderen Externen, der Erfahrungen aus einer anderen Organisation und möglichst auch noch eine fehlende Expertise mitbringt, fürs radikale Innovationsteam zu gewinnen. Gerade aktuell im Zusammenhang mit der Digitalisierung und der Bildung agiler radikaler Innovationsteams ist die Rekrutierung Externer, möglichst mit Start-up-Erfahrung, sehr relevant.

Erfolgsfaktor #5: Verpflichtung des Innovationsteams auf eine gemeinsame Mission und dieselben Leistungsziele

Ihre Team-Mission und ihre Ziele setzen sich manche Innovationsteams selbst wie z.B. die autonomen Squads von Spotify. Oft kommen sie allerdings vom übergeordneten Management, wie z.B. der Auftrag an Toyotas G21/Prius Team, ein umweltfreundliches Auto fürs 21. Jahrhundert, das schließlich 50% des Kraftstoffs einsparen soll, zu entwickeln und auf den Markt zu bringen. Wichtig ist, dass das Team die Mission und Leistungsziele ausdiskutiert, konkretisiert und sich zu eigen macht im Sinne von „Ownership“. Die Leistungsziele, die das Team von außen erhält oder sich selbst setzt, müssen Outputziele und „smart“ sein, d.h. specific (konkretisiert), measurable (messbar), aggressive yet achievable (anspruchsvoll, aber erreichbar), relevant and influencable (relevant und beeinflussbar) und time-bound (terminiert).

Erfolgsfaktor #6: Verpflichtung des Innovationsteams auf ein einheitliches Prozedere

Hierzu gehören Vereinbarungen zu:

  • Teamarbeit: Wie wird die Arbeit im Innovationsteam aufgeteilt? Wer ist verantwortlich für was?
  • Administration & Logistik: Mit welchem zeitlichen Vorlauf sind Termine für Meetings zu vereinbaren? Wie sind Meetings vorzubereiten? Wie nachzubereiten ?
  • Verhaltensregeln: Das betrifft Regeln bezüglich Offenheit, Respekt, kritischem Hinterfragen, Konfliktlösung usw.
  • Entscheidungsfindung: Wie werden Entscheidungen gefällt, so dass alle Mitglieder des Innovationsteams dahinter stehen? Ist Einstimmigkeit nötig, oder reicht eine Mehrheit?
  • Fortschrittskontrolle: Wie und wie häufig misst das Innovationsteam den Projektfortschritt? Wie und wie oft wird externes Feedback eingeholt? Wann sind Korrekturmaßnahmen einzuleiten?

Erfolgsfaktor #7: Gemeinsame und gegenseitige Verantwortung der Mitglieder des Innovationsteams

Das bedeutet:

  • Jedes Mitglied des Innovationsteams hat das Recht, von den anderen deren individuellen Leistungsbeiträge zum Team einzufordern.
  • Jedes Mitglied des Innovationsteams hat das Recht, den Fortschritt der Teamarbeit an der Mission und den Leistungszielen zu messen.

Dr. Rolf-Christian Wentz

Quellen:

  • Wentz RC (2020) Die neue Innovationsmaschine, Kindle Direct Publishing
  • Katzenbach JR, Smith, DK (2003) The Wisdom of Teams, HarperCollins
  • Allen TJ, Henn G (2006) The Organization and Architecture of Innovation. Managing the Flow of Technology, Butterworth Heinemann
  • Hackman RJ (1989) Groups That Work (and Those That Don´t): Creating Conditions for Effective Teamwork, Jossey-Bass
  • Schmidt E, Varian H (2005) Google: Ten Golden Rules, Newsweek, 2.12.2005, unter: http://analytics.typepad.com/files/2005_google_10_golden_rules.pdf
  • Rigby D, Elk S, Berez S (2020) Doing Agile Right, Transformation Without Chaos, Harvard Business School Press

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Boschs Transformation zum agilen Innovator

  • Rolf-Christian Wentz
  • 3. Jan. 2023
  • 4 Min. Lesezeit

Teslas Einfluss auf Boschs Transformation zum agilen Innovator

Falls Bosch überhaupt dieses Anstoßes bedurfte, unterstreicht die Kooperation mit Tesla, das bereits seit langem agiles Innovationsmanagement betreibt und das die Zusammenarbeit mit Bosch wegen dessen Internet-of-Things(IoT)-Kompetenzen sucht, die Notwendigkeit von Boschs Transformation zum agilen Innovator. Felix Hieronymi, der von Boschs Geschäftsführung als Projektführer mit der Transformation des Unternehmens zum agilen Innovator beauftragt wird, berichtet, dass Tesla im Gegensatz zu den anderen eher traditionellen Kunden auf “viel mehr Iteration, viel mehr Interaktion” in der kollaborativen Design- und Entwicklungsprozess des Innovationsprozesses besteht und dass diese Forderung “viel Druck auf die Organisation ausgeübt hat”. Martin Langsch, der seit 2011 für Bosch USA am Standort Plymouth arbeitet und jetzt dort Engineering Director ist, beschreibt das Arbeiten für Tesla so: „Die Hauptherausforderung ist, dass wir nicht wissen, was das endgültige Ziel ist“. Statt ausführlicher Spezifikationen gibt es von Tesla „Vision-getriebene“ Entwicklungsaufträge wie z.B. einfach ein „best of breed“-Bremssystem zu entwickeln. Um diese Anforderungen zu erfüllen und eine innovative Lösung zu liefern, nutzt Langschs Team vor allem die agile Produktentwicklungsmethode Scrum. Dazu trifft sich sein Team fast wöchentlich mit den Tesla-Verantwortlichen und diskutiert auf der Basis eines fortentwickelten funktionsfähigen Prototyps den aktuellen Entwicklungsstand der Innovation. Boschs Entwicklungen für Tesla brauchen aufgrund des agilen Ansatzes nur halb so viel Zeit, wie sie sonst gebraucht hätten.

Abbildung: Boschs Kooperation mit Tesla (Quelle: Bosch ConnectedWorld Blog)

Boschs Transformation zur “Dualen Organisation”

Schon früh hat Volkmar Denner, der seit Juli 2012 CEO von Bosch ist, erkannt, dass Bosch mit dem traditionellen Top-Down-Management in dem schnelllebigen globalen Umfeld nicht mehr erfolgreich sein kann und dass agiles Innovationsmanagement nötig ist, um weiterhin bei Innovationen führend zu sein. Bosch wird unter ihm zum Early Adopter eines agilen Mindsets und agiler Methoden im Innovationsmanagement. Zunächst entschließt sich Bosch, agile Methoden überall dort anzuwenden, wo es um radikale Innovationen geht, während die traditionellen Funktionen unberührt bleiben. Bosch führt eine sog. „Duale Organisation“ ein. Aber sie funktioniert nicht.

Boschs Transformation zum agilen Innovator als unternehmensweites Projekt

Daraufhin beschließt die Bosch Geschäftsführung, aus der agilen Transformation ein unternehmensweites Projekt zu machen, das von Felix Hieronymi geführt wird. Die Bosch Geschäftsführung soll als Steering Committee agieren. Hieronymi beginnt, das Projekt, wie er es gewohnt ist, zu führen, d.h. mit der Definition der Ziele, der Bestimmung des Endtermins und mit einer regelmäßigen Berichterstattung an das Steering Committee. Aber das Projekt macht keine Fortschritte. Die Bosch Geschäftsführung merkt, dass der Projektansatz nicht konsistent ist mit den Prinzipien der Agilität und dass die Geschäftssparten einem weiteren zentral organisierten Unternehmensprojekt sehr misstrauisch gegenüber stehen. Sie beschließt, auch diesen Ansatz ad acta zu legen.

Die Transformation von Boschs Geschäftsführung zum agilen Executive Action Team

Die Bosch Geschäftsführung entscheidet sich jetzt, nicht mehr als ein bloßes Steering Committee zu agieren, sondern selbst wie ein agiles Executive Action Team zu arbeiten und Agilität vorzuleben. Treffen der Geschäftsführung werden zunehmend zu Stand-up-Meetings vor Visualisierungshilfen an der Wand wie z.B. einem Kanban Board. Annie Howard, die als Consultant des Beratungsunternehmens Bain & Company die Transformation von Bosch zum agilen Innovator begleitet, berichtet, dass die Geschäftsführung „nicht mehr hinter einem großen Mahagonitisch saß und zuhörte, wie andere vor ihnen präsentierten. Sie standen auf, sie gingen herum, sie schauten sich die Pläne an der Wand an, sie diskutierten. Es war eine sehr interaktive, aufregende neue Art der Zusammenarbeit“. Das Geschäftsführungsteam definiert die Unternehmensprioritäten und bringt sie in eine Rangordnung, die jetzt regelmäßig aktualisiert wird. Das erlaubt dem Team, sich zu fokussieren und im Innovationsmanagement zu entscheiden, wo Innovationen und Veränderungen wirklich am wichtigsten sind. Und es konzentriert sich darauf, die größten Hindernisse in der Organisation zu beseitigen, die einer höheren Agilität im Wege stehen. Die starre Jahresplanung wird durch eine flexible, kontinuierliche Planung mit kontinuierlichen Finanzierungsrunden ersetzt. Die Geschäftsführung teilt sich in kleine agile cross-funktionale Unterteams von je 5-6 Managern auf, die ausgewählte Aufgaben erledigen. Einige dieser Teams arbeiten wie bei SCRUM mit Product Owner, SCRUM Master und Sprints. „Sie haben persönlich aus der gesteigerten Geschwindigkeit und Wirksamkeit Zufriedenheit gezogen. Du kannst diese Erfahrung nicht machen, indem Du ein Buch liest“, stellt Hieronymi fest.

Boschs 10 neue Führungsprinzipien

Ein Unterteam der Geschäftsführung entwickelt einen Vorschlag für 10 neue Führungsprinzipien, die dann nach interner Diskussion unter dem Titel „We lead Bosch“ veröffentlicht und für alle Führungskräfte verbindlich werden. Prinzipien wie „Wir schaffen Autonomie und beseitigen alle Hindernisse“, „Wir lernen aus Fehlern und betrachten sie als Teil unserer Innovationskultur“ oder „Wir fragen nach und geben Feedback und führen mit Vertrauen, Respekt und Empathie“ müssen für langgediente Bosch Führungskräfte sicherlich recht revolutionär klingen.

Abbildung: Boschs neue Führungsprinzipien „We Lead Bosch“

Heutiger Status von Boschs Transformation zum agilen Innovator

Stand heute besteht Bosch einerseits aus vielen Geschäftsbereichen, die sich auf agile Innovationsteams stützen und bereits unterschiedliche Reifegrade der Agilität erreicht haben wie u.a. Bosch Software Innovations, der Geschäftsbereich Elektrowerkzeuge/Power Tools und dort insbesondere der Produktbereich Home & Garden oder die Bosch Tochtergesellschaft ETAS. Andererseits gibt es noch einige eher traditionell strukturierte Geschäftsbereiche. Fast alle haben aber agile Werte übernommen, haben die Zusammenarbeit ihrer Mitarbeiter verbessert und passen sich schneller mit Innovationen an die zunehmend dynamischeren Änderungen im Markt an.

Dr. Rolf-Christian Wentz

Quellen:

  • Wentz RC (2020) Die neue Innovationsmaschine, Kindle Direct Publishing

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Corporate Innovationsmanagement und Open Innovation mit Start-ups in Deutschland

  • Rolf-Christian Wentz
  • 2. Jan. 2023
  • 8 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 4. Jan. 2023

Etablierte deutsche Unternehmen (sog. Corporates) verstehen zunehmend, dass sie im Innovationsmanagement agiler werden müssen. Oftmals ist die Digitalisierung der Auslöser. Start-ups dienen den Corporates als Vorbild. Start-up-Kontakte werden immer wichtiger. Corporate Innovationsmanagement und Open Innovation mit Start-ups rückt in den Fokus. Einerseits im Sinne von Open Innovation, um z.B. den Zugang zu neuen Technologien und Geschäftsmodellen zu bekommen. Andererseits um die eigene Organisation durch die Start-up-Kultur zu inspirieren, was oft in der Gründung interner Start-ups resultiert, die wiederum das allgemeine Innovationsmanagement des etablierten Unternehmens inspirieren. Die Entwicklung einer agilen Innovationskultur mit Hilfe von Start-ups bzw. die Erfolgsfaktoren agiler Innovationsteams habe ich bereits anderswo beschrieben (s.u.). Corporate Innovationsmanagement und Open Innovation mit Start-ups in Deutschland ist der Gegenstand dieses Beitrags. Es geht es um spezielle Alternativen für die Innovationsorganisation.

Beispiel: Externes Start-up

Am 17. November 2017 eröffnet die Daimler AG das Mercedes-Benz Research & Development Center in Tel Aviv, Israel als Teil seines globalen F&E Netzwerks. Ziel ist es, u.a. in Zusammenarbeit mit externen israelischen Start-ups Technologien für das vernetzte Fahrzeug zu entwickeln. Ein Weg der Kooperation mit diesen Start-ups führt über den Accelerator „The Bridge“, den Mercedes-Benz als Sponsor unterstützt und für dessen siebenmonatiges Programm sich auch das agile Start-up Anagog, das im Oktober 2010 von Gil Levy und Yaron Aizenbud in Tel Aviv gegründet wurde, angemeldet hat. Das Accelerator-Programm von „The Bridge“ bietet den teilnehmenden Start-ups – neben Training und Coaching – den Zugang zu Managern der Sponsoren wie Mercedes-Benz. Anagogs Kooperation mit Mercedes-Benz führt zur neuen EQ Ready App, die beide Partner in weniger als 5 Monaten zusammen entwickeln. Diese App unterstützt Fahrer in der Entscheidung, ob sie zu einem elektrischen Auto oder einem Hybridfahrzeug wechseln sollten. Am 26. Februar 2018 investiert Daimlers Corporate Venture Fonds in im Rahmen einer Series B Finanzierungsrunde.

Beispiel: Internes Start-up

Im März 2017 fragen sich Florian Ade und Julian Fieres, warum in modernen Fahrzeugen optische Sensoren wie Radar oder Lidar genutzt werden, aber keine Akustiksensoren. Ade ist Senior Manager Corporate Strategy der ZF Friedrichshafen AG und seit 2014 bei ZF. Fieres ist Head of Strategy, Business Development und M&A in der Division E-Mobility der ZF Group und seit 2013 bei ZF. Beide sind überzeugt, dass Hören ein wichtiger Sicherheitsfaktor im Straßenverkehr ist. Wenn der Fahrer im Auto laute Musik an hat, müsste ihn ein Mikrofon frühzeitig vor einer herannahenden Feuerwehr warnen können. Und wenn sich ein Krankenwagen nähert, müsste der Sensor dabei helfen zu erkennen, aus welcher Richtung er kommt. Da die technische Lösung künstliche Intelligenz erfordert, nennen Ade und Fieres ihren internen Start-up Sound.AI. Im Juli 2017 nehmen beide an der ZF-internen Innovation Challenge 2017 teil. Sie gewinnen, erhalten ein erstes Investment von ZF und gründen ihr agiles internes Start-Up-Team. Innerhalb weniger Monate bauen sie mit den agilen Methoden eines Lean Start-ups ein minimal funktionsfähiges Produkt (Minimum Viable Product = MVP), das kurz vor Weihnachten den ersten Praxistest besteht. Daraufhin entscheidet ZF, das Produkt bis zur Serienreife zu entwickeln..

Unzählige Kontaktmöglichkeiten zu Start-ups

Es gibt unzählige Kontaktmöglichkeiten zu Start-ups. In diesem Beitrag stehen vier strukturelle Alternativen der Innovationsorganisation im Fokus: Inkubator, Accelerator, Corporate Venture Fonds, Innovationswettbewerb und Hackathon.

Inkubator und Accelerator

Inkubatoren und Akzeleratoren verfolgen grundsätzlich ähnliche Ziele. Während aber im Inkubator wie z.B. VWs „Digital:Lab“ neue Geschäftsideen geboren und schrittweise entwickelt werden, der Fokus also auf der Explorationsphase des Innovationprozesses liegt, soll ein Accelerator wie SAPs „IoT Startup Accelerator“ die Skalierung eines schon länger bestehenden Start-ups durch die Zurverfügungstellung zusätzlicher Ressourcen und den Zugang zum Vertrieb, den Kunden und eventuell sogar der Technologie und den Daten des etablierten Unternehmens vorantreiben und beschleunigen. Ein zweiter Unterschied zwischen beiden Organisationsformen besteht darin, dass für die Start-ups die Zeit in Acceleratoren normalerweise auf 6 Monate beschränkt ist, während Inkubatoren zeitliche Limitierungen oft nicht kennen, sondern sich das Ende des Projektes dann ergibt, wenn die Idee nicht mehr für verfolgenswert gehalten wird. Viele Unternehmen schalten Inkubator und Akzelerator hinter einander, so dass sie gleichsam verschmelzen, wie es z.B. Boschs Intrapreneur-Plattform „Grow“ tut.

Inkubatoren bzw. Acceleratoren können sich hinsichtlich der Mischung der aufgenommenen Innovationsteams unterscheiden. Es gibt grundsätzlich drei verschiedene Ausgestaltungen: Sie können ausschließlich interne Teams betreuen. Oder ausschließlich externe Start-up-Teams. Oder eine Mischung von beiden. In der Praxis nehmen Inkubatoren überwiegend interne Innovationsteams auf, während Acceleratoren fast ausschließlich externe Innovationsteams unterstützen, die ihre externen, oft disruptiven Ideen einbringen. Acceleratoren sind daher auch besonders für die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle geeignet, die aktuell gerade im Zusammenhang mit der Digitalisierung von zunehmender Relevanz sind.

Sehr wirksam sind Inkubatoren und Akzeleratoren, in denen unternehmensinterne Innovationsteams direkt neben externen Start-ups arbeiten wie z.B. im „Leaps by Bayer“ Inkubator. Die internen Teams können so die Denk- und Arbeitsweise und vor allem auch die Start-up-Kultur der externen Teams kennen lernen und verinnerlichen.

Unternehmen können einen eigenen Inkubator und/oder Accelerator haben. Viele, vor allem kleinere Unternehmen ziehen es vor, sich an einem Inkubator bzw. Accelerator zu beteiligen, z.B. an dem Inkubator „InsurLab Germany“ der Versicherungsbranche oder an dem Accelerator „Startup Autobahn“ der Automobilbranche.

Corporate Venture Fonds, Innovationswettbewerb, Hackathon

Eine besondere Organisationsform des Innovationsmanagements ist ein Corporate Venture Fonds (CVF) wie z.B. der Next47 Fonds von Siemens, der 1 Mrd. Euro Kapital für externe Investitionen über 5 Jahre bereit hält. CVFs sind autonome Geschäftseinheiten, die Corporate Venture Capital (CVC) in innovative und vielversprechende externe Start-ups investieren und diese längerfristig begleiten. Unternehmen können einen eigenen CVF haben. Viele Unternehmen beteiligen sich aber auch an externen Venture Fonds wie z.B. dem High-Tech Gründerfonds.

Innovationswettbewerbe wie z.B. die Innovation Challenge von ZF Friedrichshafen, auf der die beiden Gründer des internen Start-ups Sound.AI in der abschließenden „Pitch Night“ ihren innovativen Akustiksensor präsentieren, haben relativ eng gefasste Themen. Die Teams haben gewöhnlich mehrere Monate Zeit für die Entwicklung ihrer Lösung.

In Hackathons dagegen entwickeln Teams normalerweise in 24-bis-48-Stunden-Sprints Prototypen einer neuen Software oder Hardware. Die Aufgabenstellung ist breiter als bei Innovationswettbewerben. Hackathons wie z.B. die der Allianz oder der Deutschen Telekom, an denen meist auch eigene Teams teilnehmen bzw. bei denen zumindest eigene Mitarbeiter mit externen Teams in Kontakt kommen, sind gute Beispiele.

Corporate Innovationsmanagement und Open Innovation mit Start-ups in Deutschland: Der Entwicklungsstand

Stand Juni 2021 haben wir 249 Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern und Zentrale in Deutschland identifiziert und untersucht, die Open Innovation betreiben und Kontakte zu Start-ups in Form von Inkubator, Accelerator, Corporate Venture Fonds, Innovationswettbewerb bzw. Hackathon praktizieren.

Abbildung: Corporate Innovationsmanagement und Open Innovation mit Start-ups in Deutschland

Von den 249 Unternehmen mit Firmenzentrale in Deutschland haben 199 (80%) (z.B. Boehringer Ingelheim, Thyssen-Krupp, Wilo) zumindest einen Inkubator (der je nach Ausprägung auch Innovation Lab, Company Builder oder Innovation Hub genannt wird) oder einen Accelerator (z.B. Adidas, Deutsche Bahn, EOS) oder halten daran eine Beteiligung. 75% (150) dieser 199 Firmen haben den Inkubator bzw. Accelerator erst in der Zeit seit Anfang 2016 gegründet bzw. die Beteiligung daran erworben. 7% (17) der 199 Firmen sind erst in den letzten 9 Monaten dazu gekommen. Von den 199 Unternehmen haben 39 (21%) sowohl einen Inkubator als auch einen Accelerator bzw. sind an diesen beteiligt.

128 (51%) der untersuchten 249 Unternehmen haben zumindest einen eigenen Inkubator bzw. sind an einem solchen beteiligt wie z.B. dem Inkubator „InsurLab Germany“, der viele Mitglieder aus der Versicherungsbranche hat wie z.B. die ARAG, Debeka oder Gothaer Versicherung. 108 (43%) haben zumindest einen eigenen Accelerator oder – und das ist die überwiegende Mehrheit – sind an einem solchen beteiligt wie z.B. dem

  • Accelerator „STARTUP AUTOBAHN“ mit Partnern wie z.B. Daimler, ZF, BASF, Porsche, Deutsche Post DHL, Webasto, Benteler, Hella, Linde
  • Accelerator „Beyond1435 Open Innovation Platform“, an dem z.B. die Deutsche Bahn, Siemens, Alba, TUI beteiligt sind,
  • „Next Media Accelerator“, deren Partner dpa, Axel Springer, Funke Medien, Die Zeit, Madsack, media + more venture und die Spiegel Gruppe sind,
  • „Next Commerce Accelerator“ mit Partnern wie z.B. Beiersdorf, J. Darboven, Edeka, Tchibo
  • „Next Logistics Accelerator“ mit Beteiligungen von Fiege, Jungheinrich, Helm, HHLA, Körber, Rhenus
  • „M.Tech Accelerator“, an dem z.B. ENBW, Daimler Financial Services, Deutsche Bank, Festo, Kärcher, Mahle, MBtech, Recaro, Bosch, Software AG, Trumpf, Deutsche Telekom beteiligt sind,
  • „Universal Home Accelerator“ mit Partnerschaften von Miele, Gira, Poggenpohl, Vaillant, WMF, Dornbracht
  • Accelerator „Seedhouse“ mit 32 beteiligten Partnern wie z.B. Apetito, Berentzen, Big Dutchman, Coppenrath & Wiese, Grimme, Homann, Krone, Lemken, Wiesenhof.

Von den 108 Unternehmen mit Accelerator bzw. Beteiligung daran sind 14 Unternehmen Partner bzw. Eigentümer von zwei Acceleratoren, weitere 10 Unternehmen wie z.B. Bosch oder Daimler sogar von drei oder mehr Acceleratoren.

39 (21%) der Unternehmen wie z.B. Trumpf, Zalando oder ZF Friedrichshafen haben sowohl mindestens einen Inkubator als auch mindestens einen Accelerator bzw. sind an solchen beteiligt.

Nur 11% der Unternehmen mit einem eigenen Inkubator oder einer Beteiligung an einem solchen, zu denen Firmen wie Alba oder SMS gehören, lassen sich durch externe Experten (z.B. Plug & Play, etventure usw.) beim laufenden Betrieb des eigenen Inkubator unterstützen oder beteiligen sich am Inkubator eines solchen Experten. Bei Acceleratoren ist eine Partnerschaft mit diesen externen Experten (Plug & Play, Startupbootcamp, Rocketspace, TechStars usw.) wesentlich häufiger. 32% der Unternehmen bauen dabei auf deren laufende Unterstützung (Beispiel: der Startup Autobahn Accelerator, unterstützt durch Plug & Play) oder beteiligen sich gleich an dem Accelerator eines solchen Experten.

Ein Erfolgsfaktor von Inkubatoren bzw. Acceleratoren ist es, wenn der Leiter einen Startup-Hintergrund aufweist und so die Kultur und die Arbeitsweise der Start-ups aus eigener Erfahrung vermitteln kann. Das ist bei den von externen Experten geführten Inkubatoren bzw. Acceleratoren, an denen sich die Unternehmen beteiligen können, praktisch immer der Fall. Diese mit eingerechnet, haben 40% bzw. 54% der Unternehmen mit Inkubator bzw. Accelerator einen solchen qualifizierten Leiter mit Startup-Hintergrund.

Von den 128 Unternehmen mit Inkubator bzw. einer Beteiligung daran haben 63 (48%) einen Inkubator nur für interne Teams, und 30 Unternehmen (24%) einen Inkubator nur für externe Teams oder eine Beteiligung an einem solchen Inkubator. 35 Unternehmen (27%) besitzen einen Inkubator sowohl für interne Teams als auch einen Inkubator für externe Teams oder sind daran zumindest beteiligt. Von diesen 35 Unternehmen bringen 27 wie z.B. Bayer, Gruner + Jahr oder die Deutsche Bank in ihrem Inkubator bzw. dem Inkubator, an dem sie beteiligt sind, externe und interne Teams zusammen und beschleunigen damit den Lernprozess der internen Teams.

Bei den Acceleratoren sind 96% für externe Teams reserviert. Nur 4% der Unternehmen (z.B. EON, Siemens, Osram) haben einen Accelerator bzw. sind an einem solchen beteiligt, in dem direkt neben den externen Start-ups Teams auch interne Teams arbeiten, und fördern so den Lerntransfer.

Bei Start-ups stellt sich die Frage nach der optimalen Entfernung zwischen dem Standort des Start-ups und der Zentrale des etablierten Unternehmens. Auf der einen Seite sollen die Start-ups weit genug entfernt sein, um ganz neue, möglichst auch disruptive Ideen entwickeln zu können. Auf der anderen Seite sollen sie auf die Ressourcen des Corporate Partners zugreifen können, was für eine gute Erreichbarkeit spricht. Es lässt sich vermuten, dass Inkubatoren, die schwerpunktmäßig interne Start-ups unterstützen, nicht zu weit entfernt platziert werden, während Acceleratoren, die im Wesentlichen für externe Start-ups geschaffen werden, von denen disruptive Ideen und Geschäftsmodelle erwartet werden, in weiterer Entfernung liegen. Diese Hypothese bestätigt sich nur zum Teil. 39% der Unternehmen wie z.B. B. Braun oder Claas haben Inkubatoren, die weniger als 5 km von der Unternehmenszentrale entfernt sind, 32% der Firmen wie z.B. ENBW oder KSB haben Inkubatoren in mehr als 5 km und weniger als 100 km Entfernung, und immerhin 39% der Unternehmen wie z.B. Klöckner oder Lenze haben ihren Inkubator in mehr als 100 km Entfernung. Von diesen weit entfernten Inkubatoren haben 47% ihren Sitz in Berlin. Bei den Acceleratoren sind 50% mehr als 100 km entfernt von der Unternehmenszentrale, und davon sind wiederum 43% in Berlin.

101 oder 41 % der untersuchten Unternehmen haben einen eigenen Corporate Venture Fonds oder sind an einem dritten Venture Fonds beteiligt. 68% der 1010 Firmen haben einen eigenen Fonds bzw. 56% sind in einem externen Venture Fonds investiert.

12% der deutschen Unternehmen organisieren oder sponsern Innovationswettbewerbe, um als Prototypen ausgearbeitete Lösungsvorschläge zu konkreten Themen präsentiert zu bekommen, und 59% organisieren oder sponsern Hackathons, an denen neben externen Teams normalerweise auch interne Teams teilnehmen.

Corporate Innovationsmanagement und Open Innovation mit Start-ups in Deutschland: Das Fazit

Deutsche Unternehmen machen große Fortschritte in der Nutzung von Start-up-Kontakten, um in ihrem Innovationsmanagement agiler zu werden. Immer mehr Unternehmen nutzen Alternativen der Innovationsorganisation wie Inkubator, Accelerator, Corporate Venture Fonds, Innovationswettbewerb oder Hackathon. Gerade bei den mittelgroßen Unternehmen gibt es ein starke Tendenz zur Kooperation, um z.B. Inkubatoren bzw. Acceleratoren zusammen effizient nutzen zu können. Allerdings zeigt sich insgesamt beim Thema Corporate Innovationsmanagement und Open Innovation mit Start-ups in Deutschland ein erhebliches, noch nicht ausgeschöpftes Potenzial, die Transformation zum agilen Innovator durch die gleichzeitige Nutzung der fünf Organisationsalternativen zu verdichten und zu beschleunigen.

Dr. Rolf-Christian Wentz

Quellen:

  • Wentz RC (2020) Die neue Innovationsmaschine, Kindle Direct Publishing