top of page
rcwentz

Innovations-maschinen wie BMW, Google oder Apple organisieren Zufallsbegegnungen mittels Architektur

Wir müssen die Realität anerkennen, dass viele großartige Innovationsideen und Innovationen das Ergebnis von Zufallsbegegnungen sind. Ideen entstehen oft, wenn sich Menschen aus verschiedenen Funktionen, Geschäftseinheiten oder Firmen treffen, ihre unterschiedlichen Perspektiven und ihre halbgebackenen Ideen teilen und sie möglicherweise zu einer kompletten Innovationsidee vervollständigen. Welche organisatorischen Voraussetzungen kann das Innovationsmanagement schaffen, um die Häufigkeit solcher Begegnungen und die Wahrscheinlichkeit eines glücklichen Zufalls (engl. serendipity) zu erhöhen? Welche Rolle kann Innovationsmanagement mittels Architektur hier spielen?


Innovationsmanagement mittels Architektur: Wie BMW, Google ihr Innovationsmanagement organisieren


Neben der Organisation kurzfristiger Treffen der Mitarbeiter mit Hilfe von Veranstaltungen wie z.B. Innovationsmessen spielt die Architektur der Gebäude als langfristige Maßnahme eine wichtige Rolle bei der Förderung zufälliger Begegnungen und ungeplanter Kollaborationen und damit beim Innovationsmanagement. Architekten wie Gunter Henn, der BMWs futuristisches und 2004 fertiggestelltes „Projekthaus“, das in BMWs Forschungs- und Innovationszentrum (FIZ) integriert ist, für BMWs interdisziplinäre Produktentwicklungsteams entworfen hat, vertreten die Ansicht, dass Organisationsstruktur und physischer Raum zusammenwirken, um Kommunikationsmuster und damit auch Innovationen zu beeinflussen. In BMWs Projekthaus finden die Projektaktivitäten im Innenraum in der Mitte des Gebäudes statt. Die Abteilungen sind dagegen in einem Außenring untergebracht, der über mehrere stark frequentierte Brücken mit dem Projektraum verbunden ist. Diese Architektur signalisiert, dass die Projekte „Chef“ sind, und fördert Verbindungen und Zufallsbegegnungen, visuellen Kontakt und ein breites Bewusstsein in der Organisation über den Status der verschiedenen Innovationsprojekte.
















Abbildung: Förderung zufälliger Begegnungen in BMWs Projekthaus (Quelle: Allen, Henn 2006)


Andere langfristige Maßnahmen der Gebäudearchitektur, um das zufällige Über-den-Weg-Laufen zu fördern sind z.B. die Anlage einer eigenen Kantine, in der sich die Kollegen zur Mittagszeit treffen, oder die bewusste Beschränkung der Anzahl von Ein- und Ausgängen in Gebäuden, so dass die Wahrscheinlichkeit, dass sich Mitarbeiterströme kreuzen und es zu Zufallsbegegnungen kommt, steigt. Google hat alle Etagen in Mountain View mit mehreren sog. Mikroküchen ausgestattet, wo sich die Googler mit Kaffee, Obst oder Snacks versorgen, relaxen und sich unterhalten können. Google hat diese Mikroküchen bewusst in der Mitte zwischen zwei verschiedenen Innovationsteams platziert in der Hoffnung, dass es zu Zufallsbegegnungen der Mitglieder dieser beiden Teams kommt und sie miteinander ins Gespräch kommen. Das baut auf Googles Erkenntnis auf, dass die besten Innovationsideen gerade an der Schnittstelle zwischen unterschiedlichen Innovationsteams fließen.

Wie BMW und Google langfristiges Innovationsmanagement mittels Architektur betreiben, haben wir jetzt gesehen. Aber auch andere Unternehmen verfolgen diesen Ansatz.


Innovationsmanagement mittels Architektur: Auch Apple, Pixar und Disney erhöhen die Chance von Zufallsbegegnungen und von Innovationen mittels Architektur


Auch Pixars und Apples Steve Jobs war ein überzeugter Befürworter der Bedeutung von Architektur für Zufallsbegegnungen, Innovation und Zusammenarbeit: „Wenn ein Gebäude dazu nicht ermutigt, verlierst Du viel Innovation und die Magie, die durch den glücklichen Zufall ausgelöst wird“, erklärte er. Als er die Architektur von Pixars neuem Hauptsitz gestaltet, stattet er ihn mit einem zentralen Atrium aus, das die Pixar Mitarbeiter motivieren soll, ihr Büro zu verlassen und miteinander in Kontakt zu treten. John Lasseter, Chief Creative Officer von Pixar, erinnert sich: „Steves Theorie hat vom ersten Tag an funktioniert. Ich traf immer wieder Leute, die ich seit Monaten nicht mehr gesehen hatte. Ich habe noch nie ein Gebäude gesehen, das die Zusammenarbeit und Kreativität so fördert wie dieses“. Nach der Akquisition von Pixar übernimmt Disney einige Architektur-Lehren von Pixar und öffnet die Räume in seinem riesigen Animationsgebäude in Burbank. Steve Jobs folgt später dem selben Prinzip, als er mit Hilfe des Architekturbüros Norman Foster den neuen Apple Campus in Cupertino entwirft.

Sowohl BMW als auch Apple setzen Prinzipien der Architektur in die Praxis um, die Thomas Edison für sein Innovationsmanagement bereits 1887 im West Orange Lab, seiner neuen „Erfindungsfabrik“, anwendete. Angesichts der entscheidenden Bedeutung der Kommunikation für Innovationen ordnete Edison das Labor so an, dass die Entwickler, die in einem Flügel des Gebäudes Experimente ausführten, leicht mit den Maschinenschlossern, die die Prototypen im anderen Flügel herstellten, kommunizieren konnten.


Können digitale Kommunikationen Zufallsbegegnungen von Angesicht zu Angesicht ersetzen?


In der heutigen Zeit vielfältiger digitaler Kommunikationsmöglichkeiten mögen wir uns die Frage stellen, ob diese Zufallsbegegnungen von Angesicht zu Angesicht nicht entbehrlich sind. Die Antwort darauf ist eindeutig: nein. Denn wir müssen differenzieren zwischen der Kommunikation für Inspiration und den anderen beiden Kommunikationstypen: Kommunikation für Koordination bzw. Kommunikation für Information. Hochkomplexe Kommunikationen wie die im Innovationsmanagement brauchen alle drei Kommunikationstypen. Zwar können die beiden letzten Kommunikationsformen heute extrem effizient mittels digitaler Medien erledigt werden; aber die für Zwecke der Kreativität benötigte Kommunikation für Inspiration erfordert weiterhin Zufallsbegegnungen und den Kontakt von Angesicht zu Angesicht.

Apples verstorbener Steve Jobs glaubte fest an persönliche Face-to-Face-Treffen: „In unserer vernetzten Zeit besteht die Versuchung zu glauben, dass Ideen per E-Mail und iChat entwickelt werden können. Das ist verrückt. Kreativität entsteht durch spontane Treffen, durch zufällige Diskussionen. Du triffst jemanden, fragst, was er tut, du sagst „Wow“ und bald spuckst du alle möglichen Ideen aus“.


Dr. Rolf-Christian Wentz


Quellen:

  • Wentz RC (2020) Die neue Innovationsmaschine, Kindle Direct Publishing


  • Allen TJ, Henn G (2006) The Organization and Architecture of Innovation. Managing the Flow of Technology, Butterworth Heinemann

  • Bock L (2015) Work Rules!, Twelve HachetteBookGroup

  • Isaacson W (2011) Steve Jobs, Little, Brown

  • Millard A (1990) Edison and the Business of Innovation, The John Hopkins University Press

Comments


bottom of page